Freitag, 12. April 2013

Album-Review: Broilers - Santa Muerte Live Tapes (2012)

(Viertes und letztes Fundstück aus der Praktikumsmappe, verfasst im November 2012)





Die Broilers aus Düsseldorf haben sich in den letzten Jahre den Ruf erspielt, als legitime Thronfolger der Toten Hosen zu gelten. Dass dieser Vergleich auch in puncto Livequalitäten durchaus angebracht ist, beweist das Quintett mit ihrer ersten Liveplatte „Santa Muerte Live Tapes“. 

Und die Tapes machen ordentlich was her, ganze 31 Titel hat die Band auf zwei CDs gepresst, entstanden auf verschiedenen Konzerten der fast zwei Jahre andauernden Tour zum letzten Studioalbum „Santa Muerte“. Dementsprechend finden sich die Songs dieses Album auch beinahe in Gänze in den Live Tapes wieder, Hand in Hand mit Tracks aus der „Vanitas“-Ära oder den frühesten Bandklassikern wie „Blume“ oder „Paul der Hooligan“. Die Mischung stimmt.

Ist die stilistische Weiterentwicklung der Broilers über die letzten zehn Jahre auf den Studioplatten zwar unüberhöhrbar, so wirkt hier dennoch alles wie aus einem Guss. Ob Dortmund oder Leipzig, Hauptsache Italien, alles gleich geil. Die Band hat einfach Bock und auch das Publikum gibt durchgehend alles.
Wer bei Kalibern wie dem straighten Opener „Zurück zum Beton“, dem Slime-Cover „Zusammen“ oder der inoffiziellen Bandhymne „Meine Sache“ nicht ausrastet, muss tot sein. Starkes Teil!

9/10
 

Album-Review: Danko Jones - Rock And Roll Is Black And Blue (2012)

(Praktikumsmappe, die Dritte. Verfasst im Oktober 2012)





Danko Jones ist keine Truppe von der man allzu große Innovationen erwartet. Die wären auch völlig fehl am Platze, denn warum etwas sowieso schon Gutes verändern? Dementsprechend widmet sich das sympathische kanadische Großmaul mit seinen beiden Mitstreitern John Calabrese und Atom Willard dem was sie am besten können: Das räudige Wort des Rock’n Roll zu predigen.

Warum Rock and Roll nun black and blue ist, bleibt zwar im Unklaren, ist aber irgendwie auch egal, schließlich knallt das Album fett aus den Boxen und mehr verlangt man erstmal ja auch gar nicht. Der Sound ist etwas basslastiger geworden und Neuzugang Willard macht am Schlagzeug seinen Vordermännern ordentlich Feuer unterm Arsch. Danko hat in den vergangenen zwei Jahren offensichtlich an seiner Singstimme gefeilt, auch wenn  ihm die locker-hingerotzten Punkpassagen wie im starken „I don’t care“ nach wie vor gut zu Gesicht stehen. Ansonsten ändert sich wenig im kanadischen Rockzirkus, die Referenzen heißen immer noch AC/DC, Kiss und Social Distortion und das wird sich auch niemals ändern. Wie üblich leistet sich Danko keinen wirklichen Rohrkrepierer, im Vergleich zum saustarken Vorgänger „Below The Belt“ fällt allerdings das Fehlen einiger zwingender Ohrwürmer auf. Lediglich „Conceited“ bleibt sofort hängen, der Rest brauch ein wenig um sich festzusetzen. 

Unterm Strich steht eine Platte, die sich zwar relativ nahtlos in den bisherigen Katalog Dankos einreiht, aber eben auch nicht heraussticht. Für Fans natürlich trotzdem ein Muss, neugierige Neueinsteiger greifen allerdings besser zu „Below The Belt“.

7/10

Album-Review: KISS - Monster (2012)

(Ein weiteres Stück aus dieser ominösen Praktikumsmappe, geschrieben im November 2012)





Nachdem Kiss anno 2009 mit „Sonic Boom“ ihren x-ten Karrierefrühling einleiteten, kann der Anspruch der alten Herrschaften drei Jahre später eigentlich nur sein, diesen damals unerwartet hohen Standard zu halten. Kiss selbst scheint das alles jedoch nicht zu kümmern, stattdessen setzt der Vierer mit „Monster“ noch einen ordentlichen Batzen drauf. Schon der vorher ausgekoppelte Opener „Hell or Hallelujah“ rockt wie Sau und gibt die Marschrichtung der folgenden 43 Minuten vor. Auch der Wechsel von analoger zu digitaler Produktion macht sich, wenn überhaupt, nicht negativ bemerkbar, besonders die Gitarren brettern fett und dynamisch, da hat Meister Simmons an den Reglern gute Arbeit geleistet. Der Mann weiß einfach wie seine eigene Band klingen muss. Kiss kommen 2012 wie eine junge Ausgabe ihrer selbst daher und verweisen somit die Vertreter der aktuellen Retrowelle in Gänze auf die Plätze. Das alles ist zwar ungefähr so innovativ wie ein Cheeseburger mit doppelt Käse, schmeckt aber auch genauso gut.

8/10

Konzert-Review: Sabaton + Support: Eluveitie, Wisdom (Saarbrücken, 13. September 2012)

(Dieses Juwel der Konzertreviewkunst war ursprünglich als Schriftprobe für eine Praktikumsbewerbung beim RockHard-Magazin gedacht, die jedoch aus verschiedenen Gründen nie abgeschickt wurde.

Liebe RockHard, falls ihr das hier lest: Meldet euch doch mal.)







Sabaton haben sich in den letzten Jahren nicht gerade rar auf deutschen Bühnen gemacht, was bei einer Band, die ihre Popularität vor allem ihren überragenden Live-Qualitäten verdankt auch nicht weiter verwunderlich ist. Die diesjährige Sommer-/Herbsttour firmiert unter dem Titel „Swedish Empire-Tour“ und macht an diesem Donnerstagabend Station in der Saarbrücker Garage.

Den Startschuss des Abends liefern die Ungarn von Wisdom, die erst halbgefüllten Halle einen gefälligen Power Metal anbieten und somit für das Vorprogramm des schwedischen Panzerbattalions prädestiniert scheinen. Die Rechnung geht auch beinahe auf, zumindest kann man den Jungs weder mangelnde Spielfreude, noch wirklich schlechte Songs unterstellen, dennoch mag der Funke nicht ganz überspringen. Das mag zum einen an dem undankbaren Slot als Vor-Vorband liegen, zum anderen aber auch daran, dass die Songs selbst allesamt zu austauschbar klingen. Nichts dabei, was man so oder so ähnlich nicht schon von Halloween oder Hammerfall gehört hätte und auch ein Cover von Maidens „Wasted Years“ bringt die Stimmung nicht gerade zum Überkochen.

Wesentlich einfacher haben es da die Eidgenossen von Eluveitie, die selbst bereits auf eine heute recht zahlreich erschienene Fanbase zurückgreifen können. Mit dem Einstiegsknaller „Helvetios“ gibt’s in der Garage bereits kein Halten mehr. Das Publikum feiert nach allen Regeln der Kunst und Eluveitie danken es mit einer starken Performance. Das mag die knallharten Power-Metaller unter den Zuschauern zwar zunächst verwundern, aber irgendwann wird auch noch der letzte Sabaton-Puritaner von dem entfachten Folk-Feuerwerk mitgerissen. Dass der Sound dabei nicht immer ganz klar und differenziert daherkommt – geschenkt. Eluveitie triumphieren auf ganzer Linie und hinterlassen dem Headliner nach einer Dreiviertelstunde ein bestelltes Feld.

Dass Sabaton gemeinhin als einer der besten Live-Acts der Szene gelten, hat sich mittlerweile selbst im Saarland herumgesprochen und dementsprechend gefüllt ist die Garage als das bekannte „Final Countdown“-Intro endlich erklingt. Im nächsten Augenblick legen die Schweden mit „Ghost Division“ los wie die Feuerwehr und in der Garage brechen auch noch die allerletzten Dämme. Das Publikum präsentiert sich textsicher wie eh und je und die Band feuert mit einem kollektiven Dauergrinsen Hit um Hit raus, wobei die Wahl des nächsten Songs auch gerne den Fans per Kampfabstimmung überlassen wird. Vom neuen Album „Carolus Rex“ landen neben dem Titeltrack noch drei weitere Songs in der Setlist, (wobei „Karolinens bön“ sogar in der schwedischen Version dargeboten wird) welche sich nahtlos zwischen Klassikern der Marke „40:1“, „Attero Dominatus“ oder dem selten gehörten „The Hammer has fallen“ einreihen. 

Wie sehr Sabaton ihre Fans schätzen zeigt sich besonders zwischen den Songs, wenn Sänger Joakin mal wieder Bierbecher verteilt und die Zeit stoppt, die die Beschenkten brauchen um diese zu leeren oder seine Metallplatten-Weste gegen das ältere Modell eines Fans tauscht. Für solche Aktionen muss man die Schweden einfach gern haben.
In den Zugabenblock geht’s mit „The Art of War“ ehe das unvermeidliche „Primo Victoria“ noch einmal alle Reserven in Lungen und Sprunggelenken mobilisiert. Zum Abschluss macht die „Metal Crüe“ dann noch den Deckel drauf, ehe Band und Fans erschöpft aber glücklich den Rückzug antreten. Sabaton haben ihren Heldenstatus an diesem Abend einmal mehr untermauert.

Film-Review: Death Note (2006)

(ursprünglich veröffentlicht auf moviepilot.de, April 2013)




Der Anime zum Manga „Death Note“ wird ja gerne mal als der beste jemals produzierte Anime bezeichnet. Ich kann kaum sagen inwiefern dies zutrifft, dafür kenne ich zu wenige Animes, doch auch ich war von der Serie begeistert. Das Psychoduell zwischen den beiden Megaminds Light und L war perfekt inszeniert, spannend, wendungsreich und intelligent. Die Stärken des Animes zeigen dieser Realverfilmung und dem ganzen Medium Film zwangsläufig ihre Grenzen auf. Es ist schlicht nicht möglich eine solch detaillierte Story auf zwei Filmstunden einzudampfen (was der Film auch gar nicht versucht).

Dabei macht die Realverfilmung noch einiges richtig. Sie orientiert sich über weite Strecken eng an der Manga- bzw. Animevorlage, die Rollen sind wenn auch nicht unbedingt optisch (Light), so doch schauspielerisch ganz gut besetzt. Als kleines Bonbon für die Fans des deutschsprachigen Animes wurden sogar die Synchronsprecher entsprechend übernommen, was die Wiedereingewöhnung ungemein erleichtert. Nur Ryuk stört irgendwie, der sieht aus wie direkt aus einem PC-Spiel übernommen. Das mag Absicht oder aber einfach auf die technischen Limits des immerhin sieben Jahre alten Films zurückzuführen sein, jedenfalls wirkte es auf mich etwas befremdlich.

Durch die enge Bindung an die Vorlage verliert der Film für Kenner der Story natürlich einiges an Wucht und Spannung. Mag sein dass ohne Vorwissen auch bei mir ein, zwei Punkte mehr drin gewesen wären. Das zweite Problem, dass sich daraus jedoch ist, dass die Haupthandlung von Death Note einfach nicht in zwei Stunden erzählt werden kann und der Film deshalb mehr oder weniger abrupt abbricht und auf den Nachfolgefilm „The Last Name“ vertröstet. Kein Showdown zwischen L und Kira, stattdessen werden kurz vor Schluss nochmal neue Personen eingeführt und mehrere Cliffhanger platziert, wodurch man das Gefühl bekommt, gerade lediglich einen Prolog zum „richtigen“ Duell Kira vs. L in Teil 2 gesehen zu haben. Dadurch wirkt „Death Note“ für sich gesehen, einfach ziemlich unrund. Ein bisschen mehr Abwandlung vom Anime zugunsten eines anständigen Endes hätte dem Film wohl gut getan. Das Gegenteil von „gut“ ist leider immernoch „gut gemeint“.


5/10

Film-Review: The Man With The Iron Fists (2012)


(ursprünglich veröffentlicht auf moviepilot.de, März 2013)


Uiuiuiuiui, was war das denn? Nach dem schmucken Trailer durfte man wenigstens ein amtlich durchgestyltes Stück Martial Arts-Kino erwarten, war aber leider nüscht. „The Man With The Iron Fists“ wäre gern unglaublich hart, stylisch und witzig oder anders gesagt, es würde dem fettgedruckten „Presented by Quentin Tarantino“ so gerne gerecht werden, verzettelt sich aber in jeder einzelnen Disziplin.

Das Elend fängt schon mit dem wirren Plot an. Irgendwas mit Gold und verfeindeten Clans (die allesamt aussehen wie vom Dragonball-Cosplay-Treffen ausgebüchst) und Auftragskillern und Agenten und Prostituierten und Shaolin-Mönchen und einer Gattling-Gun. Schwer zu erklären, schwer zu verstehen. RZA trägt in seiner Rolle als Regisseur nicht unbedingt dazu bei, dieses Wirrwarr aufzuklären, im Gegenteil. Ständig tun sich neue Handlungsstränge auf, die dann einfach versanden, ständig werden neue Nebencharaktere eingeführt, nur um sie Sekunden (!) später in der nächsten Klopperei doch wieder über die Klinge springen zu lassen. Überhaupt, die Kampfszenen: Manchmal ist etwas weniger Zeitlupe doch mehr. Matrix gibt’s leider schon, darüber kann auch das China-Setting nicht hinwegtäuschen. Gemessen an den lahmen Kämpfen ist der Gore-Anteil einfach unverhältnismäßig. Das soll wohl morbide-stylisch sein, ist aber leider morbide daneben gegriffen. Allein Russel Crowes erster Auftritt in dem Bordell… Heieiei.

Wenigstens der Cast ist nicht komplett für die Katz. Russel Crowe (was macht der eigentlich in diesem Film?) und Lucy Liu drücken dem Film, so gut es der wirre Plot zulässt, ihren Stempel auf und sorgen somit für die wenigen lichten Momente des Films. Batista spielt eine X-Men-Version von sich selbst und macht damit zumindest nichts großartig falsch. RZA jedoch wirkt in seiner zweiten Rolle - jedoch, der des namenlosen Hauptcharakters (Namenlosigkeit ist sowieso im Moment der ganz heiße Scheiß) - egal was er tut einfach unglaublich fehl am Platz. Der Mann kuckt ständig, als hätte er einfach keinen Bock auf seinen eigenen Film. Schlechte Kombination.

Positiv vermerkt wird noch der Wu-Tang Soundtrack, der meiner Meinung nach garnicht so schlecht passt wie manch anderer hier lamentiert. Der Film hat wahrlich genug Schwachstellen über die man die Haare raufen kann, der Soundtrack ist keine davon. Rausreißen tut er den Rest allerdings auch nicht mehr. Ist mir schleierhaft warum Tarantino für sowas seinen Namen hergibt.

5/10

Film-Review: Django Unchained (2012)

(ursprünglich veröffentlicht auf moviepilot.de, Januar 2013)





Derzeit gibt es in Hollywood zwei Regisseure, deren Name auf dem Filmposter alleine auszureichen scheint, einen sicheren Hit zu kreieren. Der eine ist Christopher Nolan, der andere Quentin Tarantino.
Dessen neues Opus liegt nun mit "Django Unchained" vor. Dass der Maestro eine Schwäche für Spaghettiwestern hegt, ist schon länger bekannt, nichtsdestotzotz ist "Django" Tarantinos erster echter Ausflug in dieses Genre.

Man könnte vorgreifend behaupten, wer die anderen Tarantinos mochte wird auch "Django" lieben, die Zutaten sind alle da: Schnittige Dialoge, geschmackvoller Soundtrack, das allgegenwärtige Rache-Motiv und übertriebene Mengen Blut. Komplett gerecht wird man "Django" damit allerdings nicht, zu überragend ist die schauspielerische Leistung des Ensembles. Viel ist bereits zu Christoph Waltz Leistung gesagt und geschrieben worden und das absolut zurecht. Die Süffisanz mit der er seinen Charakter Dr. Schulz spielt, drückt seine Kollegen förmlich an die Wand. Der zweite Stern am Himmel über Mississippi ist allerdings nicht DiCaprio oder der stoische Jamie Foxx, sondern Tarantino-Urgestein Samuel L. Jackson in seiner bisher wohl bösesten Rolle. Ganz groß.

Leider hält Django sein hohes Niveau nicht durchgehend, hin und wieder hängt die Handlung etwas fest, auch wenn "Django" zum Ende hin nochmals ordentlich anzieht. Eine Viertelstunde weniger hätte dem Film meiner Meinung nach trotzdem gut getan.

Unterm Strich bleibt eine bitterböse Abrechnung mit der amerikanischen Sklavenzeit, der erwartete Brocken von einem Film und definitiv ein Highlight des noch jungen Jahres. Ein typischer Tarantino halt.

8/10

Film-Review: Drive (2011)

(ursprünglich veröffentlicht auf moviepilot.de, Februar 2012)




Es kommt dieser Tage nicht gerade oft vor, dass aktuelle Kinofilme derart beeindrucken können, dass ein Review dazu wirklich den Aufwand rechtfertigen würde. Doch Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel und das Privileg dieser Ausnahme gebührt dem gerade angelaufenen Drive wie kaum einem Film der letzten paar Jahre.

Nach Sichtung von Titel, Filmposter und Trailer habe zumindest ich eher einen weiteren Transporter-Abklatsch erwartet, weswegen mich eine Vorhersage von 9,0 auf MP schon ein wenig stutzig machte und letztlich den Ausschlag gab die 5,50 €-Investition (es lebe der Studentenrabatt!) ins heimische Lichtspielhaus zu riskieren.

Die Story ist relativ schnell erzählt und auch nicht gerade der Glanzpunkt dieses Streifens. Drive definiert sich viel mehr über das “WIE?” denn über das “WAS?”, trotzdem sei der Plot hier kurz umrissen:
Der namenlose Driver (Ryan Gosling) arbeitet tagsüber in der Autowerkstatt seines väterlichen Freundes Shannon (Bryan Cranston) und nebenbei als Hollywood-Stuntman. Nachts bietet er sein überragendes Talent hinterm Steuer als Fluchtwagenfahrer mit Prinzipien in Los Angeleles Unterwelt an. Jason Statham lasst grüßen. Bis hierhin zumindest. Eines Tages lernt der Driver die alleinerziehende Irene (Carey Mulligan) kennen, deren Mann gerade die letzten Wochen einer längeren Haftstrafe verbüßt und die überraschenderweise die direkte Nachbarin des Drivers ist. Es entwickelt sich eine zarte Love-Story, (so viel Zugeständnis an das bekannte Blockbuster-Schema muss wohl sein) bis Irenes Mann Standart (Oscar Isaac) aus dem Zuchthaus entlassen wird. Und der bringt – wiederum nicht gerade unerwartet – einen ganzen Haufen Ärger in Gestalt einiger recht übellauniger und ihm nicht wirklich wohlgesinnter Gestalten mit sich.
Wo jeder andere sich zumindest heimlich freuen würde, dass dem Rivalen die Schlinge quasi schon um den Hals liegt, entscheidet der Driver sich jedoch Irene zuliebe, sein fahrerisches Talent für die Rehabilitierung von Standart einzusetzen. Die Sache geht schief und der Driver, Irene, Standart und sogar Shannon geraten in wirklich ernsthafte Probleme. Mehr sei dazu nicht hier nicht verraten, der Rest ist ohnehin einigermaßen vorhersehbar. Der Anspruch des Drehbuch ist es ohnehin nicht irgendein kompliziertes Konstrukt à la Fight Club zu erschaffen, die Prioritäten liegen schlicht woanders.

Es ist die Eindringlichkeit und Atmosphäre mit der Regisseur Nicolas Refn (der schon in Walhalla Rising bewies, dass er kein Mann der vielen Worte ist) und sein Star Ryan Gosling hier etwas Besonderes erschaffen. Gosling gelingt es beinahe die legendären 58 Worte, die Arnold Schwarzenegger in Terminator I sprach, zu unterbieten. In manchen Szenen verweilt die Kamera für gefühlte Stunden einfach auf seinem Gesicht, oder fängt einen tiefen Blickwechsel mit Carey Mulligan ein. Den Rest erledigt der geniale (!) Soundtrack. Drive braucht einfach keine Worte. Wird in manchem Action-Blockbuster – und HIER liegt der Unterschied zu The Transporter, The Fast and The Furious und Konsorten (wenngleich die beiden genannten auf ihre Art ebenfalls gute Filme sind und definitiv ihre Daseinsberechtigung haben) – die Abwesenheit von Dialogen v.a. als Freifahrtschein gesehen, noch ein paar Autos mehr zu zerschroten, erhebt Refn dieses Stilmittel, gemeinsam mit Goslings genialer Mimik zum Kunstobjekt, durch welches tiefe Melancholie und nervenzerfetzende Spannung gleichermaßen erzeugt werden.

—SPOILER—
Wem nach dem finalen Showdown – wenn die Kamera langsam am Bein des Drivers hochgleitet um dann minutenlang auf dessen Gesicht zu verweilen, wärend unklar bleibt ob dieser nun überlebt hat oder nicht – nicht der Puls bei 240 schlägt, der ist vermutlich bereits hirntot.
—SPOILER ENDE—

Obwohl Drive zu einem großen Teil von Goslings Spiel lebt – von der Ambivalenz des beinahe zerbrechlich wirkenden Namenlosen der in Sekundenbruchteilen zum wahnsinnigen Berserker wird – tragen auch Carey Mulligan und die Gangster-Mimen Albert Brooks und “Hellboy” Ron Perlman, sowie eigentlich der gesamte Rests des Casts zum Gesamtkunstwerk bei. Sie alle spielen echte Charaktere, im klassischen Wortsinne, Menschen mit Tiefe, mit Hintergründen und Abgründen, was heute leider nicht mehr allzu oft den Weg auf die große Leinwand findet. Außerdem sei an dieser Stelle noch einmal der wirklich genial passende Soundtrack erwähnt, der wirklich jede Szene, jede Gesichtsregung und jeden Blick punktgenau untermalt und unglaublich aufwertet.

Das FSK18-Rating trägt Drive übrigens absolut zu Recht, auch wenn man es nach meinem bisherigen Geschreibsel vielleicht nicht unbedingt erwarten würde. Die Splatterszenen sind wirklich nichts für schwache Nerven (Stichwort “Pumpgun”), sodass die heftigen Gewaltausbrüche eher eine er- und abschreckende Wirkung haben, zumal sie im absoluten Kontrast zum restlichen Erzähltempo stehen.

Fazit: Drive ist weder ein Film der vielen Worte, noch der ausartenden (Auto-)Aktion, wobei zumindest letzteres von mir so nicht erwartet wurde. Er ist quasi das Gegenteil des In Time, bei dem eine gute Grundidee zu einem eher mittelmäßigen 08/15-Actioner verwurstet wurde. Drive ist sicher nicht der heilige Gral der Storykomplexität (und für den einen Punkt Abzug verantwortlich), aber er spielt seine Stärken gnadenlos aus. Er gleicht einem System Of A Down-Song, manchmal sanft, langsam und fragil, plötzlich so brutal und eruptiv, dass man glauben mag plötzlich in einem völlig anderen Film zu sitzen, nur um dieses Tempo im nächsten Augenblick wieder völlig rauszunehmen. Das ist spannend, das ist innovativ, das ist Kunst.

9/10