Mittwoch, 7. August 2013

Review: Wacken Open Air 2013 - Teil 1: Dienstag - Donnerstag

Ach ja, good old Wacken. Das Oktoberfest unter den Metal-Festivals. Wer in dieser Szene was auf sich hält, fährt einmal im Jahr nach Wacken und wer wirklich sehr viel auf sich hält, der fährt vor lauter scheiß Kommerz, scheiß Touristen, scheiß Bands und der scheißbeschissenen Gesamtsituation schon nicht mehr hin. Ab nächstem Jahr darf ich mich - mit Einschränkungen - zur zweitgenannten Kategorie zählen. Vorher allerdings sollte noch ein würdiger Abschluss meiner nun sechsjährigen Wacken-Historie folgen. Und soviel sei vorweggenommen: Das war er auch.

Quelle: wacken.com


Dienstag,  30. Juli

Aus saarländischer Perspektive gestaltet sich ja seit jeher schon die Anreise nach Wacken als ambitioniertes Unterfangen. Stolpersteine befinden sich entlang des Weges, angefangen beim Versuch des ökonomischen Packens, über die First-World-Problematik einen Konvoi mit einem Sportwagen und einem Caddy zu fahren, bis hin zu einer vollgesperrten Autobahn kurz vor dem Ziel, der übliche Wahnsinn halt. Es hätte durchaus schlimmer kommen können.

Ankunft in Wacken, Lage situieren. Aha, das Dorf ist noch da, es ist immernoch bzw. wieder voll schwarzer Gestalten und man hat mittlerweile sogar die mehrere Zentimeter dicke Schlammschicht vom letzten Jahr vom Bordstein gekratzt. Auffahrt Campground, Zelt aufstellen funktioniert mittlerweile wie ein Schweizer Uhrwerk, die langjährige Festival-Erfahrung ist eben doch zu irgendwas gut. Es regnet. Ich habe seit nun über zwei Jahren mein Zelt auf keinem Festival mehr trocken aufgebaut, sad but true. Schauderhafte Erinnerungen an die Regen- und Schlammapokalypse von letztem Jahr flackern durch meinen Kopf. So soll also das Ende aussehn? Einmal mehr ertrunken im Matsch, der irgendwann sicher mal ein Abenteuerspielplatz für Archäologen auf der Suche nach Pavillonüberresten und Dosenpfand sein wird?

Nächster Schock: Standortbestimmung. Verdammt, schon wieder Campground U!  Warum reist man am Dienstag an, bezahlt 10€ "Verfrühungsgebühr" p.P., nur um dann wieder in Schleswig-Guinea zu landen? Der Metal-Gott ist eine Drecksau, egal was in der im Dorf verteilten Metal-Bibel steht.
Überhaupt die Metal-Bibel. Der Witz dabei: Es gibt keinen. Dieses Machwerk bestehend aus den Statements bekehrter "Szene-Größen", sowie hilfreichen Gebeten für den (Metal-)Alltag ist vollkommen ernst gemeint. "Jesus, hilf mir am Computer, damit ich es schaffe den Porno-Seiten zu wiederstehen!". Im Wacken-Cosmos ist mittlerweile eben sogar Platz für religiöse Spinner jeder Coleur. Amen & Attack.


Mittwoch, 31. Juli

Der Mittwochmorgen erstrahlte in herrlichstem Grau. Grau ist besser als Regen. Es ging also aufwärts und so langsam kam auch das Festival mit den ersten offiziellen Programmpunkten ins Rollen. Nach einem amtlich vergammelten Tag hieß unsere erste musikalische Station diesmal überraschenderweise

SANTIANO

Ginge es hier lediglich (manch einer würde hier wohl nicht unbedingt den Konjunktiv benutzen) um Mainstream-Appeal oder Ticketpreise auf eigenen Konzerten, so würden Santiano im diesjährigen Wacken-Billing wohl nur knapp unter Rammstein rangieren. Zum Glück sehen sowohl die Veranstalter, als auch die Band selbst den Auftritt der Seemanns-Combo scheinbar eher als großen Gag, denn als "ernsthaftes" Konzert an. Der Witz ist auf der Wackinger-Stage nur leider ziemlich deplaziert, denn diese ist mittlerweile deutlich zu klein für Santiano. Folge: Gedränge und schlechter Sound, dafür aber schöne Mitsingmomente mit der ganzen Meute bei den bekannteren Stücken. Trotzdem leider deutlich schwächer als im vorigen Jahr. Arr.


Donnerstag, 1. August

Leider führte die Verkettung einiger unglücklicher Umstände (darunter ein grandios gewonnenes Flunkyball-Spiel) dazu, dass ich die ersten 20 Stunden des Donnerstags lieber vergessen würde und die nächsten beiden Tage keinen Alkohol mehr anfasste. Steigen wir also ein mit den alten Recken von

DEEP PURPLE

Joa... dafür bin ich wohl 40 Jahre zu spät geboren. Viel mehr als das Riff zu "Smoke on the Water" und das vage Wissen, dass diese Band einerseits sehr alt und andererseits einst sehr wichtig war, verbinde ich mit dieser Band nicht. Insofern ähnlich wie die Scorpions im letzten Jahr. Auch das Fazit bleibt das selbe: Been there, done that. Muss ich nicht nochmal haben.

Die Musik-Nerds unter euch finden die Setlist trotzdem HIER.

Deep Purple - Quelle: ampya.com

RRRRAMMSTEIN

Zweifellos DER Headliner dieses Jahr. Natürlich weiß das auch die Band selbst und fährt an allen Fronten Superlative auf. Acht (!!) Vierzigtonner standen am Mittwoch noch auf dem Infield rum, nur um den Bühnenaufbau und die Pyrotechnik der Band anzuliefern. Der ebensolange eigens mitgebrachte Merchandise-Truck fällt da kaum noch ins Gewicht. Das Festival war Anfang Oktober letzten Jahres nur Stunden nach der Bandankündigung ausverkauft, bis dahin ein fast irrsinnig anmutender Rekord, der allerdings gestern erneut überboten wurde. Aber dazu später mehr.

Wenn man mit der Musik von Rammstein - so wie ich - nicht unbedingt viel anfangen kann, so ist die Show doch zweifellos ein Erlebnis. Es knallt, es kracht, es brennt. Dazwischen Till Lindemann wie der fleischgewordene Stereotyp vom bedrohlichen Deutschen mit dem tiefen, rollenden R. Die Trademarks von Rammstein eben und in der Kombination zweifellos beeindruckend. Rammstein liefern eine bis ins kleinste Detail durchchoreographierte Show, ein martialisches Musical. Lindemann verzieht selbst bei Heinos Auftritt zu "Sonne" keine Miene, auch wenn die Redakteure der Springer-Presse diesem Gastauftritt entgegengefiebert haben dürften, wie ein Sechsjähriger Heiligabend. Das Publikum dreht bei jedem Song durch als gäbs kein morgen. Wenn zu "Links 2, 3, 4" 80000 im Takt marschieren, dann bebt Wacken. Also ernsthaft, der scheiß Boden hat gebebt. Krasse Erfahrung.

Die Setlist von Rammstein findet ihr HIER.

Schwer genug ein Bild von diesem Auftritt zu finden, auf dem nicht Heino zu sehen ist - Quelle: laut.de
 Nach Rammstein gab es übrigens noch einen unangenehmen Rückstau auf dem Gelände, der leicht zu einer Art Love Parade 2.0 hätte umschlagen können. Schuld daran waren die neueingeführten Kontrollen an den Eingängen des Wackinger-Villages, über das erwartungsgemäß der größte Teil der Leute zurück auf den Campingplatz strömt. Eine lächerliche und fahrlässige Aktion. Wenn der Headliner gespielt hat, müssen verdammt nochmal alle Schleusen aufgehen, es ist doch klar dass dann 80000 Menschen gleichzeitig raus wollen! Und das alles um auch sicherzustellen dass man auch drei Mark mehr verdient, damit auch niemand Getränke mit auf den Mittelaltermarkt nimmt, sondern sie dort kauft. NACH DEM HEADLINER! Eine richtige Scheißaktion, liebe Wacken-Orga!

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