Ach ja, good old Wacken. Das Oktoberfest unter den Metal-Festivals.
Wer in dieser Szene was auf sich hält, fährt einmal im Jahr nach Wacken
und wer wirklich sehr viel auf sich hält, der fährt vor lauter scheiß
Kommerz, scheiß Touristen, scheiß Bands und der scheißbeschissenen
Gesamtsituation schon nicht mehr hin. Ab nächstem Jahr darf ich mich -
mit Einschränkungen - zur zweitgenannten Kategorie zählen. Vorher
allerdings sollte noch ein würdiger Abschluss meiner nun sechsjährigen
Wacken-Historie folgen. Und soviel sei vorweggenommen: Das war er auch.
Dienstag, 30. Juli
Aus
saarländischer Perspektive gestaltet sich ja seit jeher schon die
Anreise nach Wacken als ambitioniertes Unterfangen. Stolpersteine
befinden sich entlang des Weges, angefangen beim Versuch des
ökonomischen Packens, über die First-World-Problematik einen Konvoi mit
einem Sportwagen und einem Caddy zu fahren, bis hin zu einer
vollgesperrten Autobahn kurz vor dem Ziel, der übliche Wahnsinn halt. Es
hätte durchaus schlimmer kommen können.
Ankunft in
Wacken, Lage situieren. Aha, das Dorf ist noch da, es ist immernoch bzw.
wieder voll schwarzer Gestalten und man hat mittlerweile sogar die
mehrere Zentimeter dicke Schlammschicht vom letzten Jahr vom Bordstein
gekratzt. Auffahrt Campground, Zelt aufstellen funktioniert mittlerweile
wie ein Schweizer Uhrwerk, die langjährige Festival-Erfahrung ist eben
doch zu irgendwas gut. Es regnet. Ich habe seit nun über zwei Jahren
mein Zelt auf keinem Festival mehr trocken aufgebaut, sad but true.
Schauderhafte Erinnerungen an die Regen- und Schlammapokalypse von
letztem Jahr flackern durch meinen Kopf. So soll also das Ende aussehn?
Einmal mehr ertrunken im Matsch, der irgendwann sicher mal ein
Abenteuerspielplatz für Archäologen auf der Suche nach
Pavillonüberresten und Dosenpfand sein wird?
Nächster
Schock: Standortbestimmung. Verdammt, schon wieder Campground U! Warum
reist man am Dienstag an, bezahlt 10€ "Verfrühungsgebühr" p.P., nur um
dann wieder in Schleswig-Guinea zu landen? Der Metal-Gott ist eine
Drecksau, egal was in der im Dorf verteilten Metal-Bibel steht.
Überhaupt
die Metal-Bibel. Der Witz dabei: Es gibt keinen. Dieses Machwerk
bestehend aus den Statements bekehrter "Szene-Größen", sowie hilfreichen
Gebeten für den (Metal-)Alltag ist vollkommen ernst gemeint. "Jesus,
hilf mir am Computer, damit ich es schaffe den Porno-Seiten zu
wiederstehen!". Im Wacken-Cosmos ist mittlerweile eben sogar Platz für
religiöse Spinner jeder Coleur. Amen & Attack.
Mittwoch, 31. Juli
Der
Mittwochmorgen erstrahlte in herrlichstem Grau. Grau ist besser als
Regen. Es ging also aufwärts und so langsam kam auch das Festival mit
den ersten offiziellen Programmpunkten ins Rollen. Nach einem amtlich
vergammelten Tag hieß unsere erste musikalische Station diesmal
überraschenderweise
SANTIANO
Ginge es
hier lediglich (manch einer würde hier wohl nicht unbedingt den
Konjunktiv benutzen) um Mainstream-Appeal oder Ticketpreise auf eigenen
Konzerten, so würden Santiano im diesjährigen Wacken-Billing wohl nur
knapp unter Rammstein rangieren. Zum Glück sehen sowohl die
Veranstalter, als auch die Band selbst den Auftritt der Seemanns-Combo
scheinbar eher als großen Gag, denn als "ernsthaftes" Konzert an. Der
Witz ist auf der Wackinger-Stage nur leider ziemlich deplaziert, denn
diese ist mittlerweile deutlich zu klein für Santiano. Folge: Gedränge
und schlechter Sound, dafür aber schöne Mitsingmomente mit der ganzen
Meute bei den bekannteren Stücken. Trotzdem leider deutlich schwächer
als im vorigen Jahr. Arr.
Donnerstag, 1. August
Leider
führte die Verkettung einiger unglücklicher Umstände (darunter ein
grandios gewonnenes Flunkyball-Spiel) dazu, dass ich die ersten 20
Stunden des Donnerstags lieber vergessen würde und die nächsten beiden
Tage keinen Alkohol mehr anfasste. Steigen wir also ein mit den alten
Recken von
DEEP PURPLE
Joa... dafür
bin ich wohl 40 Jahre zu spät geboren. Viel mehr als das Riff zu "Smoke
on the Water" und das vage Wissen, dass diese Band einerseits sehr alt
und andererseits einst sehr wichtig war, verbinde ich mit dieser Band
nicht. Insofern ähnlich wie die Scorpions im letzten Jahr. Auch das
Fazit bleibt das selbe: Been there, done that. Muss ich nicht nochmal
haben.
Deep Purple - Quelle: ampya.com |
RRRRAMMSTEIN
Zweifellos DER
Headliner dieses Jahr. Natürlich weiß das auch die Band selbst und fährt
an allen Fronten Superlative auf. Acht (!!) Vierzigtonner standen am
Mittwoch noch auf dem Infield rum, nur um den Bühnenaufbau und die
Pyrotechnik der Band anzuliefern. Der ebensolange eigens mitgebrachte
Merchandise-Truck fällt da kaum noch ins Gewicht. Das Festival war
Anfang Oktober letzten Jahres nur Stunden nach der Bandankündigung
ausverkauft, bis dahin ein fast irrsinnig anmutender Rekord, der
allerdings gestern erneut überboten wurde. Aber dazu später mehr.
Wenn
man mit der Musik von Rammstein - so wie ich - nicht unbedingt viel
anfangen kann, so ist die Show doch zweifellos ein Erlebnis. Es knallt,
es kracht, es brennt. Dazwischen Till Lindemann wie der fleischgewordene
Stereotyp vom bedrohlichen Deutschen mit dem tiefen, rollenden R. Die
Trademarks von Rammstein eben und in der Kombination zweifellos
beeindruckend. Rammstein liefern eine bis ins kleinste Detail
durchchoreographierte Show, ein martialisches Musical. Lindemann
verzieht selbst bei Heinos Auftritt zu "Sonne" keine Miene, auch wenn
die Redakteure der Springer-Presse diesem Gastauftritt entgegengefiebert haben
dürften, wie ein Sechsjähriger Heiligabend. Das Publikum dreht bei jedem
Song durch als gäbs kein morgen. Wenn zu "Links 2, 3, 4" 80000 im Takt
marschieren, dann bebt Wacken. Also ernsthaft, der scheiß Boden hat
gebebt. Krasse Erfahrung.
Schwer genug ein Bild von diesem Auftritt zu finden, auf dem nicht Heino zu sehen ist - Quelle: laut.de |
Nach Rammstein gab es übrigens noch einen unangenehmen Rückstau auf dem Gelände, der leicht zu einer Art Love Parade 2.0 hätte umschlagen können. Schuld daran waren die neueingeführten Kontrollen an den Eingängen des Wackinger-Villages, über das erwartungsgemäß der größte Teil der Leute zurück auf den Campingplatz strömt. Eine lächerliche und fahrlässige Aktion. Wenn der Headliner gespielt hat, müssen verdammt nochmal alle Schleusen aufgehen, es ist doch klar dass dann 80000 Menschen gleichzeitig raus wollen! Und das alles um auch sicherzustellen dass man auch drei Mark mehr verdient, damit auch niemand Getränke mit auf den Mittelaltermarkt nimmt, sondern sie dort kauft. NACH DEM HEADLINER! Eine richtige Scheißaktion, liebe Wacken-Orga!
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